Bidirektionales Laden
E-Auto als Stromspeicher
Zu Spitzenzeiten können Photovoltaik-Anlagen und Windkrafträder enorm viel Strom produzieren – sogar mehr als in diesem Moment gebraucht wird. Beispielsweise erzeugen Windkraftwerke an windstarken Tagen viel Strom, an windstillen Tagen dagegen keinen. Um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen, die Netzfrequenz zu halten und gleichzeitig erneuerbare Energien einzubinden, helfen Speichermöglichkeiten. Die ermöglichen es, den Strom, der zu Spitzenzeiten übermäßig erzeugt wird, zu speichern. Wenn er benötigt wird, kann er dann ins Netz gespeist werden. Diese Speicherkapazität kann man zentral über große Akkus managen. Aber auch jeder kleine Akku trägt dazu bei – ob im Keller oder im E-Auto. Ja, auch E-Autos können das Stromnetz durch ihre – wenn auch geringe – Speicherkapazitäten stabilisieren. E-Autos könnten während sie an einer Ladestation angeschlossen sind beispielsweise Strom abgeben, wenn es gerade im Netz benötigt wird. Diese Technik nennt sich bidirektionales Laden („Energieaustausch in zwei Richtungen“).
Bidirektionales Laden fürs öffentliche Netz oder Eigenheim
Zur praktischen Umsetzung muss jedoch sowohl im Auto als auch in der Ladestation entsprechende Technik verbaut sein, die das bidirektionale Laden unterstützt. Man unterscheidet dabei verschiedene Einsatzgebiete - beispielsweise Vehicle-to-Grid (V2G), Vehicle-to-Home (V2H), Vehicle-to-Load (V2L).
Vehicle-to-Grid: Bei V2G ist der Hintergedanke, dem gesamten zentralen Stromnetz das eigene E-Auto quasi als mobiler, dezentraler Speicher zur Verfügung zu stellen: Energie dann zu speichern, wenn es im Netz gerade mehr als genug davon gibt und Strom dann wieder bereitzustellen, wenn er im Netz benötigt wird.
Vehicle-to-Home: V2H beruht auf dem gleichen Prinzip des Zwischenspeicherns bei „zu viel“ und des Abgebens bei „zu wenig“ Strom – jedoch in diesem Fall nur in Bezug auf das eigene Haus. Bei einem durchschnittlichen Tagesverbrauch einer vierköpfigen Familie von ca. 11 kWh könnte ein vollgeladenes E-Auto mit 50 kWh Akkukapazität das Haus somit vier bis fünf Tage lang mit Strom versorgen. Das ist somit eine vorbeugende Maßnahme, um auch bei einem Stromausfall oder Blackout mit Energie versorgt zu sein.
Vehicle-to-Load: Dieser Einsatz des bidirektionalen Ladens mit dem E-Auto könnte beispielsweise für Camper interessant sein. Es geht hierbei darum, mit dem E-Auto verschiedenste elektrischen Geräte laden zu können. Dank eines Adapters kann dann ein klassisches Schuko-Kabel mit dem Auto verbunden werden und der Strom aus dem E-Auto das angeschlossene Gerät – beispielsweise einen Wasserkocher, einen Laptop oder einen Föhn - versorgen.
Kann jeder mit seinem E-Auto den eigenen Haushalt versorgen?
Momentan ist das bidirektionale Laden noch nicht die standardmäßig verfügbare Technologie. Das Elektroauto und die Lademöglichkeit (Wallbox oder Ladesäule) müssen dafür ausgelegt sein. Außerdem spielt auch der verwendete Stecker eine Rolle. Unter den gängigen Anschlüssen funktioniert für das bidirektionale Laden nur der CHAdeMO-Stecker. In einigen Fällen geht es auch mit einem CSS-Stecker. Der Honda e, Hyundai Ioniq 5 und Kia EV6 sind solche Ausnahmefälle, bei denen auch über CSS-Stecker bidirektional geladen werden kann.
Grundsätzlich ist das Versorgen der eigenen vier Wände mit Strom aus dem E-Auto (V2H) in Deutschland erlaubt. Jedoch sollten sich Interessierte mit den Garantiebedingungen des Autoherstellers auseinandersetzen. Es kann sein, dass die Nutzung das Auto-Akkus für V2H als Zweckentfremdung eingestuft wird und somit die Garantie verfällt. Hintergrundgedanke dabei ist, dass ein Akku nur für eine bestimmte Anzahl an Ladezyklen konzipiert ist. Je mehr Aufladungen und Entladungen der Akku bereits mitgemacht hat, desto mehr nimmt die Akkuleistung ab. Aktuell ist es jedoch noch umstritten, inwieweit es dem Akku schadet, wenn er über die herkömmliche Nutzung als Verkehrsmittel hinaus beansprucht wird.
Wie funktioniert bidirektionales Laden?
Was muss die Technik genau können, um bidirektional zu laden? Der Akku des Elektroautos wird mit Gleichstrom betrieben. Wenn das E-Auto mit Wechselstrom (AC) lädt, muss der Strom vorher in Gleichstrom umgewandelt werden. Beim bidirektionalen Laden fließt der Strom auch noch in die andere Richtung: Der Strom (Gleichstrom) aus der E-Auto-Batterie soll in das Stromnetz gespeist werden. Dort wird er als Wechselstrom benötigt und muss somit vorher zurückgewandelt werden. Die Wallbox bzw. Ladestation, das E-Auto oder der Stecker müssen den Strom also in Gleichstrom und wieder zurückwandeln können und mit dem Stromfluss in beide Richtungen „zurechtkommen“.
Welche Autos und welche Wallboxen können bidirektional laden?
Nissan ist Vorreiter unter den Autoherstellern, die bidirektionales Laden mit ihren Modellen ermöglichen. Sie nutzen nämlich standardmäßig den CHAdeMO-Stecker in ihren E-Autos und bieten somit bereits eine wichtige Komponente der nötigen Technik zum bidirektionalen Laden. Wenn die entsprechende Schnittstelle zwischen E-Auto und Wallbox weiter ausgebaut wird, gibt es bald vielleicht auch noch mehr Wallboxen, die das bidirektionale Laden über einen CSS-Stecker ermöglichen.
Automodelle zum bidirektionalen Laden
- Nissan Leaf
- Nissan e-NV200
- Hyundai Ioniq 5
- Kia EV6
- Mitsubishi Outlander Plug-in-Hybrid
- Mitsubishi Eclipse Cross
- Mitsubushi i-MiEV
- Polestar 3
- MG5
- Alle VW IDs voraussichtlich (auch nachträgliche Funktionsfreischaltung dank Update möglich)
- Peugeot iOn
- Citroen C-Zero
- Honda e (derzeit im Test für V2G, nicht für Privatpersonen als bidirektional ladendes Fahrzeug nutzbar)
Bidirektionale Wallboxmodelle
- Wallbox Quasar
- Wallbox Quasar 2
- Sospeo & charge von Evtec
- ambiCHARGE von Ambibox
Bisherige Verbreitung des bidirektionalen Ladens
Für die Variante V2G, bei der Strom in das öffentliche Netz eingespeist wird, gibt es in Deutschland aktuell noch zu viele rechtliche Einschränkungen. Auch die Frage, ob und was der E-Auto-Besitzer als finanzielle Gegenleistung für den eigenspeisten Strom erhalten würde, ist noch offen. Die Anwendung in dieser Form ist daher bisher nur wenig zu finden. Aktuelle Bedenken liegen auf Seiten der Technik bisher noch beim Verschleiß eines Akkus. Die halten nämlich nur eine bestimmte Zahl an Ladezyklen durch, bis ihre Leistung nachlässt.